Es ist Zeit für eine neue Rubrik. Es ist Zeit für Diskussion. Ich rede selbst ja so viel – jetzt seid ihr dran.
Der kleine Kleine ist jetzt schon kurz vorm Ausziehen und Familie gründen, denn wir haben am Donnerstag die erste Stunde der Krabbelgruppe besucht.
Und da war er wieder, dieser Moment.
Dieser Moment, in dem man sich der Runde vorstellt, Schlagworte nutzt um bestmöglichen Eindruck zu hinterlassen oder mindestens seinen Standpunkt bestmöglich klar zu machen und kurz – ganz kurz – diese Sekunde des Zweifels auftaucht. Dieses kurze Zucken in der Magengegend, wenn man gefragt wird, ob man stillt und nicht weiß, ob die anderen 8 Mütter auch stillen und grinsen oder nicht stillen und die Nase rümpfen. Der Moment, in dem man glückselig berichtet, dass man erfolgreich das Familienbett praktiziert und sich kurz fragt, wie erfolgreich die das wohl finden. Dieser ganz ganz kurze Augenblick in dem man vielleicht so gern schwärmen möchte, wie schön und kompromissbereit und liebevoll der Alltag mit Bedürfnisorientierung ist und doch Angst hat, sich den Vergleich des „Wie jetzt – der Junge kriegt immer seinen Willen oder was?“ anzuhören.
Kennt ihr das?
Ich meine, versteht mich nicht falsch, ich hege keine Zweifel an unserem Modell und auch nicht an den Entscheidungen die ich getroffen habe. Ich blogge darüber, mehr Selbstsicherheit, der Welt ungefragt von seinem „Ding“ zu erzählen kann man ja kaum haben. Und doch. In der realen Welt sind da wieder die Blicke und Rückfragen und Kommentare.
Zum Beispiel wurde ich heute, nur weil ich erzählte, dass eine gute Freundin von mir Stillberaterin sei, gefragt ob ich langzeitstillte. Ja, hab ich. Stimmt. Werd ich den Kleinen auch wieder. Aber ist der Zusammenhang der, dass ich in meiner Stillzeit von einer Beraterin begleitet wurde oder eher der, dass ich nun mal gerne so lang stillen wollte?! Als bräuchte es eine Entschuldigung, einen Zusammenhang, als würde man sowas nicht einfach aus intrinsischer Motivation machen ?!?
Aber da war es wieder. Das Schublade-auf-Mensch-rein-Gedenke.
Ich jedenfalls werde ja gerne in eine Schublade gesteckt. Ist auch wirklich zu schön und wie auf dem Silbertablett. Sie stillt, sie trägt, sie schläft im Familienbett, sie wickelt in Stoff, sie besucht Krabbelgruppen mit psychomotorischem Schwerpunkt, sie macht BLW und dann auch noch bleifrei und dann isse auch noch Veganer.
Kennt ihr den Witz: Woran erkennt man einen Veganer? Er wird es dir sagen!
Ich erfülle also das Klischee, meinetwegen. Ich bin’s, ich bin’s alles. Öko. Hippie. Rabenmutter. *gääähn*
Ich hab die Stunde überlebt, relativ unaufgeregt sogar und mir mal wieder fest vorgenommen, jetzt nicht darüber nachzudenken, ob die zweite von links denn nun Metal hört, wegen ihrer Brille und den dunklen Haaren oder ob die Blonde in der Mitte wirklich in der Sparkasse arbeitet. Aber die eine, ganz rechts, die sah nun wirklich aus wie ’ne Flugbegleiterin und war auch noch eine. Genau wie die Grundschullehrerin letztes Mal in dem Babymassagekurs. Die hab ich auch direkt eingeordnet erkannt in eine Schublade gesteckt.
Richtig. Alles Blödsinn. Aber selber verfalle ich diesem Schubladen-Gedöns auch gerne, allerdings relativ ungewollt. Aber wie werde ich das los? Was möchte ich denn meinen Söhnen mitgeben? Dass Menschen mit bestimmten Interessen immer auch gleich XY sind? Ne. Als ob das zuträfe.
Wie geht ihr damit um?
Mit dem Moment des Vorurteils, mit Vorstellunsrunden, mit dem Kribbeln im Bauch, wenn man auf ein Thema angestupst wird, von dem man weiß, dass es polarisiert?
Oder wie geht ihr vor, betretet ihr wie ich einen Raum und sortiert vor? Wie geht ihr gegen die eigene Oberflächlichkeit vor? Wie stoppt ihr dieses Denken und was erklärt ihr euren Kindern?
Argumentiert, Kommentiert, Diskutiert!
Ich freue mich auf eure Erfahrungen, Meinungen und euren Umgang damit. Dann kann ich ja vielleicht noch was lernen!
11 Antworten
Liebe Kathrin,
Ich denke das ist eine Sache der Toleranz. Ich glaube, nicht das Schubladendenken ist das Problem, sondern der Vorurteile. Jemanden in eine Schublade zu stecken liegt heutzutage in unserer Natur und ist völlig normal. Aber ☝?️? Ich versuche dabei positiv zu sein und jeden so zu nehmen wie er ist. Du kannst stolz darauf sein, dass du das alles für deine Kinder tust. Es gibt nichts besseres. Oft ist es doch auch der Neid die in den Blicken steckt. Jede Mutter, die sich mit all diesen Themen nur etwas auseinander setzen, wissen, dass es das beste für deine Kinder ist. Und Neid ist immer das geheime Wort für Anerkennung (oder so ungefähr ?)
Ich versuche meiner kleinen mit zu geben, dass ist ok ist, Leute „abzuchecken“ und irgendwie erstmal vorsichtig zu sein. Aber sie soll immer offen für das sein was kommt und immer positiv an die Sache ran gehen ?
Liebe Alex,
schön, dass du wieder da bist. Ich freue mich sehr darüber!
Vielleicht hast du sogar Recht. Vielleicht fällt es uns einfach schwer, auf gewisse Schubladen zu verzichten und unsere Mitmenschen mal nicht zu „labeln“. Bei mir zumindest ist das in der Tat so.
Aber woher kommt das? Nehmen wir uns da nicht vielleicht auch immer ein kleines bisschen den Spaß am Kennenlernen, verbauen uns da sogar was? Oder macht gerade das es spannend, weil man sich sozusagen selbst darin testet, ob man am Ende Recht oder Unrecht hatte?
Die Art die du deiner Tochter nahe bringst, kann ich gut nachvollziehen und heiße das auch gut. Ich hoffe, dass das auch ist, was meine Söhne verstehen. Zugegebenermaßen frage ich mich aber schon manchmal, wie authentisch ich wirklich bin, wenn ich doch selbst so meine Schubladen für alles habe…. 😉
Wie weit gehen da die Grenzen? Dessen, was man tolerieren „muss“ oder sollte, ab wann muss man es eben nicht mehr und wie und was gibt man den Kindern mit, damit sie eine eigene Toleranz anderen Menschen gegenüber mitbringen?
Das sind nur ein paar Fragen, die ich mir für meine Mutterschaft oft mal so stelle. 😉
Liebe Alex,
schön, dass du wieder da bist. Ich freue mich sehr darüber!
Vielleicht hast du sogar Recht. Vielleicht fällt es uns einfach schwer, auf gewisse Schubladen zu verzichten und unsere Mitmenschen mal nicht zu „labeln“. Bei mir zumindest ist das in der Tat so.
Aber woher kommt das? Nehmen wir uns da nicht vielleicht auch immer ein kleines bisschen den Spaß am Kennenlernen, verbauen uns da sogar was? Oder macht gerade das es spannend, weil man sich sozusagen selbst darin testet, ob man am Ende Recht oder Unrecht hatte?
Die Art die du deiner Tochter nahe bringst, kann ich gut nachvollziehen und heiße das auch gut. Ich hoffe, dass das auch ist, was meine Söhne verstehen. Zugegebenermaßen frage ich mich aber schon manchmal, wie authentisch ich wirklich bin, wenn ich doch selbst so meine Schubladen für alles habe…. ?
Wie weit gehen da die Grenzen? Dessen, was man tolerieren „muss“ oder sollte, ab wann muss man es eben nicht mehr und wie und was gibt man den Kindern mit, damit sie eine eigene Toleranz anderen Menschen gegenüber mitbringen?
Das sind nur ein paar Fragen, die ich mir für meine Mutterschaft oft mal so stelle. ?
Hallo Kathrin,
Ich bin auf deinen Block gestoßen, weil ich bald Mama eines kleinen Jungen werde. Genau genommen soll es Mitte Januar soweit sein. Ehrlich gesagt, bin ich ungewollt schwanger geworden und habe bisher meine Karriere in den Mittelpunkt meines zukünftigen Lebens fokussiert. Nun ist es passiert und nach vielen Ängsten und ein Riesen Chaos der Gefühle freue ich mich auf den kleinen Wurm. Ich hatte leider in der Schwangerschaft nicht all zu viel Zeit um das Internet zu durchforsten mit all diesen Themen.
Da ich denke, das dieser Blog genau meinen Einstellungen und Vorstellungen und Leidenschaften entspricht, würde ich mich freuen, wenn du uns deine Erfahrungen wie, wieso weshalb und warum zu diesen ganzen Themen Familienbett, bedürfnisorientiert etc. noch mehr mit uns teilst. Neben deinen witzigen Alltagsgeschichten die hier bestimmt niemand mehr missen möchte. Ich will einbisschen was lernen 😉 für mich ist diese ganze babywelt noch so neu und aufregend.
LG Lisa
Liebe Lisa,
herzlich willkommen! Du passt gut her. Ich habe in diesem Beitrag schon einmal darüber erzählt, dass auch ich ungeplant schwanger geworden bin und plötzlich nicht mehr, so wie bisher, mein Beruf mein Mittelpunkt war. Ich kann dein Gefühlschaos gut nachempfinden, es war hier ähnlich. Fühl dich immer frei, mir zu schreiben oder deine Fragen hier zu stellen – dafür gibt’s den ganzen Zinober hier 🙂
Die Gründe dafür, dass ich mich für eine Bindungs-/ Bedürfnisorientierte Erziehung entschieden habe, die hat mein Sohn sozusagen mit auf die Welt gebracht. Der war im Bauch schon „anders“… Der Verdacht liegt nahe, dass er hochsensibel ist. Er ist noch zu klein um das offiziell zu testen und ich mag es auch nicht, so etwas zu „pathologisieren“… Wenn es so ist, dann ist es eben so. Jedenfalls kommt man an ihn gar nicht anders heran, als es feinfühlig, sensibel und gewaltfrei zu tun. Darüber wird es in den nächsten Tagen oder Wochen, je nachdem wie gut ich es in Worte packen kann, einen separaten Beitrag geben.
Das Familienbett hat einen anderen Urpsrung. Ich bin ein schlaftrainiertes Kind. Meine Eltern sind ganz großartige, zauberhafte Menschen. Aber das Thema Schlaf hat leider überhaupt nicht funktioniert. Allein schlafen ist für mich eine Bestrafung. Mein Kind in ein eigenes Bett zu legen, das hat sich einfach falsch angefühlt. Die Fakten und Vorteile dazu, die habe ich erst viel später kennengelernt. Sie haben meinen Instinkt und intuitiven Wunsch nur nochmal bestärkt.
Naja und Stillen, das ist mein Herzthema. Das war mir schon in der ersten Schwangerschaft unfassbar wichtig und da gibt es auch keinen Entscheidungsprozess, das war einfach klar, dass gestillt wird und bumms 🙂
Das war jetzt mal so die Kurzfassung. Ich bin ja keine Fachfrau, sondern schreibe aus dem Herzen und teile Erfahrungen aus meinem Leben. Wenn du dir mehr Informationen wünschst, dann schau links in meine Sidebar, in meine Blogrolle. Blogs wie Das gewünschteste Wunschkind, Geborgen Wachsen, Stillkinder, Rabeneltern, der Hebammenblog… Sie alle betrachten und beinhalten genau diese Themen in aller Ausführlichkeit und von Leuten mit Dipl. vorm Namen 🙂
Ansonsten freue ich mich riesig, wenn du dich immer wieder hier blicken und dich von mir völlig subjektiv und ohne aufwendige Recherche berieseln lässt 🙂
Kannst Du Gedanken lesen?
??
Liebe Kathrin,
Ich habe gestern den ganzen Tag über dein Kommentar nach gedacht. Wo fängt Toleranz an und wo auf… Wo fängt es für mich an und wo auf. Ich kann von mir aus sagen, ich bin sehr tolerant, jedoch ertappe ich mich auch hin und wieder dabei, Vorurteile zu haben. Gerade bei Sachen die unbegreiflich und traurig sind – Paris- etc. ich habe hin und her überlegt und mich gefragt, wie ich das meiner kleinen Greta nahe bringen das Richtige zutun, zu fühlen und zu denken…
Ich bin zu dem Entschluss gekommen, ich lasse es ? Ich schiebe das Thema ganz weit weg ?
Nein! Spaß!
Ich glaube, man wir können unseren Kindern nur vorleben offen zu sein und das es auch ok ist, mal falsche Entscheidungen zu treffen. Das gehört zum Leben dazu.
Liebe Grüße
Greta ? Ein ganz toller Name!
Ja, vorleben. Da sagst du was. Und genau dieses Vorleben zeigt eben auch, dass wir mal Fehler machen. Zeigt aber auch, wie wir mit Fehlern umgehen. Oder was unsere Konsequenz ist, wenn wir uns vertun, also wie man dann damit umgeht.
Zum Beispiel zähle ich Menschen, zu denen ich auch so meine Meinung hatte, beim ersten Vorstellen, heute zu sehr guten Freunden. Und irgendwann habe ich mich getraut, mit den Vorurteilen aufgeräumt und gelernt: sie hatten auch welche 😉 Also, tatsächlich ist es ein einziges Vorleben und sich-weiter-entwickeln, da gebe ich dir Recht.
Liebe Kathrin,
irgendwie spricht mir dein Block bei manchen Themen echt aus der Seele.
Als ich schwanger wurde war auch nicht geplant, dass wir unseren Kleinen tragen würden, ihn in Stoff wickeln und nun anfangen BLW zu praktizieren. Ehrlich gesagt habe ich von all dem vorher nie etwas gehört. Gestern habe ich auch zum ersten mal den Begriff „Attachment Parenting“ gelesen und war erstaunt, dass es für das, was ich ohne Vorwissen aus Intuition tue, sogar einen Begriff gibt 🙂
Und ja, es wissen immer alle besser.
Es ist faszinierend auf wieviel Unverständnis man bei seiner Umwelt trifft.
Deshalb habe ich auch angefangen einen Blog zu schreiben. Ich hoffe so vielleicht mehr Verständnis für das was ich tue zu bekommen, gerade von meinem näheren Umfeld. Schließlich möchte ich mein Kind mit dem was ich tue nicht umbringen… 🙁
Ich bin also sehr erfreut hier ein paar Gleichgesinnte zu finden 😀
Hallo Franzi und herzlich willkommen! Wie cool, dass du dich hier wohl fühlst. Ich schaue gleich mal bei dir vorbei 🙂
Und bezüglich des „Arbeitstitels“… Ich verwende ihn auch nur hier auf’m Blog. Ansonsten machen wir alles eher so nach Bauch und Herz. Ich finde nämlich auch, dass das der schönste und beste Weg ist (auch wenn es, vor allem im Moment, trotzdem ganz viele tolle Bücher und Vorträge zu dem Thema gibt!).
Hoffentlich bis bald,
Kathrin