Wenn die Welt seufzt – und hochsensible Menschen es spüren.

Manchmal geht ein Seufzen durch die Welt. Oder – die Welt seufzt selbst. Ich weiß es nicht. Es sind diese Tage, in ganz bestimmten Wochen, in denen ich von allen Menschen, die ich meine Freunde nenne und die aller Wahrscheinlichkeit nach hochsensibel sind, eine SMS bekomme. Außerdem sind es die Tage, in denen meine Coachings eine besondere Qualität bekommen, sich meine Klientinnen überdurchschnittlich häufig melden und die meisten Stillprobleme auftreten. In denen ich, sobald eine weitere Nachricht kommt, nur noch denke: „Bitte nicht noch Eine!“. Es sind auch jene Tage, an denen ich selbst ganz besonders kraftlos, müde, ausgelaugt und traurig bin. Ich reihe mich ein, wünschte mir eine Standleitung zur besten Freundin oder einem meiner eigenen Coaches. Alles in mir schreit dann nach einem Ort, an dem mich niemand erreicht und an dem ich tun kann, was mir mein Alltag meist verbietet: mich meiner Traurigkeit so ganz und gar hinzugeben.

 

Ein Seufzen geht durch die Welt – und wir spüren das.

„Es ist als, als trauere ich sogar um die Jahreszeit, die sich jetzt verabschiedet“, versuche ich meinem Mann auf einem Spaziergang zu erklären. Eigentlich weiß ich selber nicht, was ich will. Die Hitze habe ich gehasst. So richtig, richtig gehasst. Fast 40 Grad im Schatten in einer deutschen Großstadt – also ohne Meer, Sandstrand und so. Darauf hätte ich gut verzichten können. Ich habe nichts gegen Regen, aber mein Gemüt verändert sich nahezu automatisch sobald es dunkel wird. Ich kann weder etwas dafür, noch dagegen tun. Ich liebe den Winter, am meisten den Januar, wenn es klirrend kalt ist und die Sonne zurückkehrt. Aber bis dahin ist es noch verdammt lang. Wie überstehe ich die Zeit bis dahin nur und wie kann ich eigentlich damit leben, dass ich es nur wenige Monate, vielleicht zwei oder drei, im Jahr überhaupt erträglich finde?

„Du bist kompliziert“, sagten die Leute früher. Manchmal auch, dass ich mich nicht so anstellen, es bloß nicht so übertreiben solle und dass „man“ doch eh nichts „dagegen tun kann“. Gegen so etwas wie Wetter ist „man“ eben machtlos. Aber es ist nicht das Wetter – das weiß ich genau. Denn an diesen besonderen Tagen, wenn dieses Seufzen durch die Welt geht, dann weiß ich heute auch – endlich! – ganz genau, dass ich nicht allein bin. Dass es nicht mein Zyklus, meine Hormone oder das Wetter ist. Sondern dass irgendwo etwas geschieht, dass uns alle beeinflusst. Denn wenn ich am liebsten alles hinwerfen und auf einen Baum ziehen würde, dann klingelt mein Handy besonders häufig. „Kathrin, ich brauche Trost!“ oder „Ich weiß nicht was ich tun soll“ oder „Mir geht es furchtbar“, heißt es dann in den zahlreichen SMS und spätestens bei der dritten weiß ich: es ist wieder soweit.

 

Das hat nichts mit mir zu tun

Meine Faszination und mein Wissensdurst für Hochsensibilität ist schier unstillbar. Darum entwickle auch ich mich weiter, forsche stets in alle möglichen Richtungen, studiere die Entstehung von Gefühlen, biochemische Reaktionen im Gehirn und: Spiegelneurone. Die Wissenschaft ist da ziemlich eindeutig: es gibt sie im Gehirn, sie feuern sobald man eine Handlung auch nur beobachtet oder tatsächlich auch nur ihre Andeutung. Wir gähnen, wenn unser Gegenüber gähnt, unsere Hand zuckt, wenn jemand nach seiner Kaffeetasse greift, wir streichen uns das Haar hinter die Ohren, wenn unser Gegenüber es tut. Das geschieht unbewusst und lässt sich auf erklärbare Zusammenhänge zurückführen. Warum wir fühlen, was andere fühlen, ist da etwas schwammiger. Vor allem gibt es einfach noch keine abschließenden, evidenzbasierten Erklärungen, wieso einige mehr fühlen, als andere und welche Informationen Spiegelneuronen da abfeuern. Das ist das Faszinierende am Menschen: so sehr er es auch probiert – er wird sich selbst niemals vollständig selbst verstehen können.

Aber wenn die Welt seufzt, wenn sie traurig ist über das, was in ihr / auf ihr geschieht, wenn mal wieder irgendwo auf diesem Planeten eine Schreckenstat vollzogen wird, wenn sie in Schieflage gerät – dann weiß ich, ganz genau!, dass es hier, an ihrem anderen Ende Menschen gibt, die im Kollektiv anfangen zu trauern. Ich weiß, dass es niemals Antworten darauf geben wird. Aber es ist, wie es ist.

 

Wenn ein Seufzen durch die Welt geht - und hochsensible Menschen es spüren

Wenn ein Seufzen durch die Welt geht – und hochsensible Menschen es spüren

 

The struggle is real

Ja, ich weiß, das klingt alles ziemlich esoterisch und abgedreht und du kannst dir nicht vorstellen, wie gern ich wissenschaftliche Belege dazu hätte. Ich wünschte, ich könnte dir an dieser Stelle genau erklären, wieso Hochsensible wirklich den Weltschmerz spüren und wirklich in regelmäßigen Abständen das Gefühl haben, sie seien für all das Leid in der Welt verantwortlich. Wenn eine schlechte Nachricht im Radio oder im Fernsehen dafür sorgt, dass sich ein hochsensibler Mensch die gesamte Woche schlecht fühlt, die Tage in Trauer und Demut verbringt und an der Frage, was er oder sie nur tun kann, fast zerbricht – kann es dann nicht sein, dass diese große, schwere, gesamte Traurigkeit, die sich dieser Tage in der Luft befindet, ebenfalls überträgt? Es ist eine Vermutung, kein Fakt. Nur ein Idee – kein Beweis.

Aber vielleicht ging es dir letzte Woche, vor allem zum Wochenende hin, wirklich nicht gut. Vielleicht hattest du Probleme jeglicher Art beim Stillen, mit deinem Partner, vielleicht warst du besonders traurig oder bist aufgrund einer vermeintlichen Kleinigkeit weinend zusammengebrochen. Möglicherweise warst du besonders kraftlos, hattest das Bedürfnis nach viel Schlaf oder Ruhe. Oder du warst traurig – ganz ohne, dass etwas wirklich vorgefallen ist. Hast du dich verletzt? Kopfweh, Migräne oder andere körperliche Leiden gehabt? Dein Alltag kam dir noch schwerer vor als sowieso schon, du hast dich dabei beobachtet, wie du dich häufig gefragt hast, wieso und nach einer Erklärung suchtest?

 

Falls ja: lass es mich wissen.

Bitte hinterlasse mir hier einen Kommentar, denn WIR SIND VIELE. So viele Dinge, die unsere Persönlichkeit ausmachen, liegen nicht in unserer Hand. Und selbst über die Jahreszeit zu trauern, die sich nun so langsam verabschiedet, ist dein gutes Recht, denn: Deine Gefühle sind dein gutes Recht.

Ich bin gespannt auf eure Berichte. Mal sehen, ob ich mit meiner Vermutung völlig daneben oder ein kleines bisschen richtig liege.

 

Danke <3

Alles Liebe,

eure ÖkoHippie.

 

 

11 Antworten

  1. Falls du 17-19.8. meinst, nein, da ging es mir ausgesprochen gut, ich hatte Urlaub, mein hochsensibler Sohn war im Schub und trotzdem auf einer langen Zugreise sehr ausgeglichen. Ich war vor allem nostalgisch, das lag aber auch an der Landschaft da.
    Ich habe das Gefühl, mit dem Weltschmerz besser umgehen zu können, seit ich Eckhardt Tolle gelesen habe, und seine Idee vom Schmerzkörper, der sich an dem Schmerz labt und tief in den Erinnerungen gräbt um immer mehr Schmerz zu suchen, bis man sich hinsetzt und das Gefühl Mal so richtig anpackt und es zulässt. Da weine ich dann mal eine halbe Stunde fürchterlich und es tut so weh, aber dann bin ich geheilt, statt Wochen immer wieder in meinen Wunden zu stochern.

  2. diese tage,ich kenne sie.Dann will ich zurueck in Mamas Bauch.Will eine kleine hoele oder wenigstens drei tage allein auf dem sofa mit eis.
    dann bin ich unkonzentriert.Am zittern und habe sogar Panikataken.Als kind haben sie gesagt ich sei hysterisch.Das ich nicht schlafe,angst und albtraeume habe,kaeme von meinen Eltern.Mag sein,aber ich reagiere auch auf alles andere moeglich erdenkliche.Deswegen futter ich mir jetzt weiter meinen puffer an 🙂 :/

  3. ich war in der letzten Woche sehr nahe am Wasser…..es gab keinen besonderen Ausloeser,aber ich hab mich damit unheimlich schlecht gefuehlt. Am Sonntag waren wir dann lange spazieren ,ich hatte das Gefuehl,danach war mein Kopf „resetet“

  4. ich hab meinen mann angemacht, dass ich hier alles allein machen müsste, dabei hat er sich neben vollzeitjob voll viel um die einschulungsfeier gekümmert. das könnte man wohl in die rubrik überforderung stecken. und ich brauchte wirklich viel ruhe, gegen abend dachte ich jeden tag, ich kann keinen schritt mehr laufen und keinen handschlag mehr tun. also: hier!

  5. Ich hatte Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, war total traurig, müde, kraftlos. Es war zudem das erste echt kühle Wochenende und oh ja, wie es mich traurig macht, dass der Sommer sich verabschiedet hat. So viele Kinderkleider, die noch getragen werden wollen im Schrank, so viel Eis, dass gegessen werden möchte. Meine Haut und meine Seele hatten lange noch nicht genug Vitamin D. Ich habe mir sogar wehmütig Sommerfotos angesehen, als trauerte ich um einen geliebten, verstorbenen Menschen. „Es gibt bestimmt noch schöne Tage im September.“ – sagt mein Freund. Ja, das mag sein. Es ist aber nicht das gleiche. Und so emotional reagiere ich meistens auf das kommen und gehen der Jahreszeiten. Seit ich denken kann fühle ich es wenn es bald schneit und es fließen immer Tränen, wenn ich die erste Flocke sehe. Oder wenn der Sommer kommt… der Moment, wenn die Luft zum ersten mal nach Sonne riecht… es gibt unzählige Beispiele. Leider habe ich persönlich noch nie jmd getroffen, dem es ähnlich geht. Ich hab heute immer noch mit dem Jahreszeitenwechsel zu tun. Ich hoffe dass es bis zum Wochenende etwas leichter wird.

  6. Letztes Wochenende: tiefe Trauer, Streit mit dem Mann, Überforderung mit den drei Kindern, dünnhäutig, Migräne … es trifft einfach alles zu. Ich schob es auf die anstehende Periode, aber die kam erst am Montag.

  7. Ja, ich fühle es auch, Tage an denen ich grundlos absolut keine Kraft habe, keinen Schritt vor den anderen tun kann, ich traurig, dünnhäutig und müde bin und einfach nur ins Bett will. Einfach so, ohne Grund. Ich spüre die Welt. Gern umarme ich dann einen Baum, lehne mich still an ihn und spüre seine Kraft und die Aktivität in ihm, das Wasser, das von den Wurzeln zu den Blättern aufsteigt, oder setze mich in die Natur auf eine Wiese oder einen Stein und spüre einfach die Reinheit und Kraft.

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